Befriedigende Sexualität entsteht nicht von selbst
„Sexualität ist etwas ganz Natürliches und daher stimmt etwas nicht mit mir, wenn ich kein befriedigendes Sexualleben habe.“ Diese und ähnliche Glaubenssätze sind sehr weit verbreitet und viele Menschen fühlen sich davon unter Druck gesetzt oder defizitär, wenn sie sich lustlos fühlen oder Sex eher meiden.
Doch ein befriedigendes, erfülltes Sexualleben ist nichts Schicksalsgegebenes, nichts Angeborenes; es ist eine Fähigkeit, die genauso erlernt werden kann, wie viele andere Fertigkeiten auch. Es ist das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit sich, seinen Prägungen, Idealen, Bedürfnissen und seinem Körper. Auch wenn wir eine uns ursprünglich innewohnende Fähigkeit zu Lust und Lebendigkeit haben, so muss das Wissen um die eigenen, ganz individuellen sexuellen Wünsche und Bedürfnisse erst im Laufe des Lebens erworben werden. Denn erst dann, wenn wir wissen, was wir wollen und was nicht, haben wir die Voraussetzung dafür geschaffen, Sexualität selbstbestimmt und lustvoll zu erleben.
Überlegen Sie doch einmal: War Ihr „erstes Mal“ eine sexuell wirklich umwerfende Erfahrung? Sind „One night stands“ für Sie die ultimativen sexuellen Kicks? Wann und unter welchen Umständen haben Sie eine befriedigende sexuelle Erfahrung gemacht? Was möchten Sie noch sexuell erfahren, was Sie bisher noch nicht erlebt haben? Was ist so wertvoll, dass Sie es keinesfalls aufgeben möchten?
Echte Intimität durch Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen
Vielleicht haben Sie es aus diesem Blickwinkel noch nicht betrachtet: Körperliche Begegnung mit anderen Menschen ist in erster Linie eine Begegnung mit uns selbst; mit unseren Ängsten, unseren Unzulänglichkeiten, unserer Scham und unserer Scheu uns Zuzumuten. Nur wenn wir bereit sind, uns anzuerkennen wie wir sind, mit unseren Wünschen, Begierden, Phantasien und Ängsten, nur dann können wir eine lebendige Begegnung mit einem anderen Menschen erfahren, nur dann können wir Lust und Begehren empfinden, nur dann können wir echte Intimität erleben.
Sexualtherapie wie ich sie verstehe, ist daher ein Prozess, eine Auseinandersetzung in erster Linie mit sich selbst. Sie ist aber auch eine Spurensuche nach besonderen Ressourcen, die in uns allen schlummern, die oft aber verschüttet worden sind oder erst so richtig gepflegt werden müssen, damit die Saat keimen kann.